Aufbruch ins Metaverse

Petra

Handelszeitung – Rahel Zingg

Was steckt hinter dem Metaversum? Erleben wir schon die Anfänge, ohne es zu wissen? Ein Gespräch mit Petra Ehmann, Chief Innovation Officer der Ringier-Gruppe und Europa Forum Impulsgeberin 2022, über eine neue, erweiterte (und bessere?) Welt.

Was ist das Metaverse?

Es hat sich bislang noch keine einheitliche Definition des Metaverse etabliert. Ich würde es als eine Zusammenführung der realen und der virtuellen Welt beschreiben, durch die sich uns eine neue und erweiterte Welt eröffnet.

Hilfreich scheint mir in dieser Hinsicht die Unterscheidung zwischen Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR), die sich in den Intensitätsgraden realer und virtueller Informationen unterscheiden: VR ist das eine Extrem, in dem wir zu 100 Prozent in eine vollständig virtuelle Welt eintauchen. Im anderen Extrem stehen wir uns – wie jetzt – in der Realität gegenüber, in der wir uns keiner virtuellen Informationen bedienen. Und zwischen diesen beiden Extremen liegt AR, in der wir die reale Welt zwar wahrnehmen, unsere Wahrnehmung aber durch virtuelle Informationen bereichert wird. Es gibt in diesem Sinne also ein breites Spektrum an erweiterten und virtuellen Realitäten, in denen unseren Vorstellungen möglicher Anwendungen kaum Grenzen gesetzt sind.

Bewegen wir uns bis zu einem gewissen Grad heute schon im Metaverse?

Ja, die Möglichkeit dafür existiert bereits seit einiger Zeit. Das Group Executive Board von Ringier hat beispielsweise bereits die ersten Sitzungen im Metaverse abgehalten. Neben diesen frühen Anwendungen im Geschäftsleben steht das Metaverse derzeit aber bereits im vollen Dienste der Gaming-Industrie: Auf Onlinespiele-Plattformen wie beispielsweise Roblox bewegen sich schon über 200 Millionen aktive Nutzerinnen und Nutzer in einem virtuellen Universum – zwei Drittel davon gehören der Generation Z an. Dieser Anteil ist relevant, weil die Forschung zeigt, dass die Generation Z das Verhalten älterer Generationen entscheidend beeinflussen kann.

Ist eine Welt nicht genug?

Interessant in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass unser Auge häufig als stärkstes Sinnesorgan beschrieben wird – gefolgt vom Hören und Fühlen. Virtuelle und erweiterte Realitäten sprechen primär ersteren, aber auch die letzteren beiden Sinne an und bieten einen immersiven und intuitiven Zugang zu diesen Welten. Wenn wir uns beispielsweise in einem neuen Supermarkt befinden und nach einer glutenfreien, dunklen Schokolade suchen, dann kann uns AR dabei helfen, sie einfach und schnell zu finden, indem sie einen Filter über die Realität legt, der das Studieren kleingedruckter Inhaltsangaben erspart.

Augmented Reality war Ihr Fachgebiet bei Google. Welche wirtschaftlichen Möglichkeiten eröffnen sich im Metaverse für die Medienwelt?

Der technologische Fortschritt von Text über Audio und Fotos hin zu Video hat stets eine reichhaltigere Form der Kommunikation geschaffen. Das Metaverse als ein noch immersiveres Medium kann daher gerade für die Medien- und Unterhaltungsindustrie von Interesse sein – beispielsweise für das Storytelling: News und Geschichten von Sportereignissen oder Naturspektakeln können im Metaverse beinahe hautnah miterlebt werden. Gleichzeitig bietet das Metaverse interessante Möglichkeiten für die Unterhaltung: Justin Bieber hat bereits die ersten Konzerte im Metaverse abgehalten. Durch die Reichweite des Metaverse kann man nicht nur Besucher vor Ort erreichen, sondern Interessierte aus der ganzen Welt. Storytelling und Entertainment sind nur zwei Beispiele interessanter Anwendungen.

Und was sind die Risiken dieser Zwischenwelt?

Jede Technologie kommt mit Vor- und Nachteilen, und so birgt auch das Metaverse zum Beispiel soziale, ökologische und rechtliche Risiken. Soziale Risiken, die wir bereits aus dem Internet kennen, wie Sucht, Betrug oder Belästigung, können auch im Metaverse existieren. Ausserdem erfordert das Metaverse aufgrund enormer Datenmengen und Rechenleistungen einen hohen Energiebedarf, was ökologische Risiken wie zusätzliche Treibhausgasemissionen nach sich ziehen kann. Schliesslich stehen wir auch vor rechtlichen Herausforderungen, weil beispielsweise noch nicht in allen Fällen abschliessend geklärt ist, welches Recht in diesen neuen, virtuellen Zwischenwelten tatsächlich angewendet und durchgesetzt werden kann.

Sie sind seit Mai letzten Jahres im EqualVoice Advisory Board. Was bedeutet Ihnen die Initiative?

Die Initiative sehe ich als Chance, Geschlechtergleichheit zu erreichen. Sie hilft, mit Analytics aus Stereotypen auszubrechen und Talenten unabhängig des Geschlechts Geltung zu verleihen. Über die Analytics hinaus senden Bilder weitere wichtige Signale: Ob man auf einem Foto einen erfolgreichen Mann sieht, der den Frühstückssaft für seine Kinder presst, oder eine Frau, die für die Familie kocht, sendet verschiedene Botschaften, die unsere Verhaltensmuster entsprechend prägen. Da wird Ringier als Medienhaus eine wichtige Rolle zuteil. EqualVoice vereint eine grosse Vision mit einer erfolgreichen Umsetzung.

Was ist dabei Ihre wichtigste Botschaft?

Wir sind mit grossen Krisen weltweit konfrontiert: mit der Migrations- und Klimakrise, Krieg, Hungersnöten, einer klaffenden Ungleichheit zwischen Arm und Reich. Um Probleme dieser Dimension zu lösen, brauchen wir die besten Talente an der Spitze, ganz egal welchen Geschlechts, welcher Herkunft oder welcher Glaubensrichtung. Dabei reicht es nicht, dass wir Talente nur aus einem Teich fischen, sondern wir müssen die Besten aus allen Teichen gewinnen.

Der Artikel von Rahel Zingg

Quelle: Mirjam Kluka

 

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