Immobilienblase im Metaverse – alles nur ein grosses Glücksspiel?

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NZZ Content Creation – Martha Böckenfeld

Das Metaverse lockt Investoren mit gewaltigen Umsätzen und höchst verlockenden Aussichten. Immer mehr Unternehmen sichern sich darum eigene «Grundstücke» in den virtuellen Welten. Ist das eine vernünftige Geldanlage – oder genau das Gegenteil, wie Skeptiker meinen?

Fast 2 Milliarden Dollar haben grosse Unternehmen im vergangenen Jahr investiert, um sich einen Platz im Metaverse zu sichern. Und dass trotz der Prognosen von Marktforschungs- und Beratungsunternehmen wie Gartner (siehe Grafik), dass sich die Vision einer virtuellen Welt, in der Menschen leben, arbeiten, interagieren und so eine neue Gesellschaft schaffen, vermutlich erst in einer Dekade realisieren lässt. Ist der «Landkauf» im Metaverse darum nur ein «Big Gamble», wie manche meinen, oder doch die derzeit verheissungsvollste Möglichkeit zum Investieren?

Shoppen in virtueller Welt

Beim Metaverse handelt es sich um eine immersive digitale 3D-Welt, in der Menschen miteinander kommunizieren, arbeiten und sozial interagieren können. Der virtuelle Raum wird dabei vermehrt mit dem realen Leben verknüpft. Die Unternehmensberatung McKinsey schätzt, dass das Metaverse bis 2030 einen Wert von bis zu 5 Billionen Dollar erreichen wird. Grösster wirtschaftlicher Treiber ist hier das E-Commerce-Geschäft mit einem geschätzten Volumen von 2,6 Billionen Dollar. Die Investitionen ins Metaverse haben sich seit 2021 mehr als verdoppelt: von 57 Milliarden auf mehr als 120 Milliarden Dollar im Jahr 2022. Wie Untersuchungen zeigen, ziehen 59 Prozent der Metaverse-Konsumentinnen und Metaverse-Konsumenten ein Erlebnis in der virtuellen Welt jenem in der physischen Welt vor. Die beliebteste Aktivität ist hier das Shoppen von physischen oder virtuellen Waren (79 Prozent). Kein Wunder, dass sich viele Führungskräfte vom Metaverse einen erheblichen positiven Einfluss auf ihre Branchen versprechen.

Zu beachten ist jedoch: Das Metaverse ist kein einheitliches Universum, sondern besteht im Grunde aus mehreren virtuellen Welten mit zum Teil fundamentalen Unterschieden. Wenn es um Investitionen und «Landkauf» geht, handelt es sich um Blockchain-basierte Welten mit einer eigenen Währung – so wie bei Decentraland mit «MANA» oder The Sandbox mit «Sand». The Sandbox ist einer der gefragtesten, spielebasierten virtuellen Welten für Erwachsene. Die Spieler können in dieser virtuellen Umgebung Eigentum erwerben, darauf Häuser und Infrastruktur errichten und diese monetarisieren, indem sie Non-Fungible Token (NFT), also digitale Zertifikate, kaufen oder verkaufen und den «Sand»-Token als Bezahlungsmittel verwenden. Eine solche Welt hat sich zum Beispiel der bekannte Rapper Snoop Dogg mit The Sandbox Game geschaffen. Sie trägt den Namen Snoopverse. Laut dem Magazin «Rolling Stone» hat der Musiker für ein sogenanntes NFT-Haus im Snoopverse 450 000 Dollar erhalten.

Auch Unternehmen wie die britische Grossbank HSBC haben Land in «The Sandbox» gekauft. Auf diesem Weg will das Institut mit Sport-, E-Sport- und Gaming-Begeisterten Kontakt aufnehmen. The Sandbox verfügt inzwischen bereits über mehr als 200 Partnerschaften mit verschiedenen Unternehmen und Künstlern, darunter Gucci, Warner Music, Ubisoft, The Walking Dead, adidas, Deadmau5 und Steve Aoki. So folgen alle Partner des Anbieters der Vision, Spieler darin zu bestärken, ihre eigenen Erfahrungen zu kreieren und dafür originale und bereits bekannte Charaktere und Welten zu nutzen. Als erste Schweizer Bank ist Sygnum seit vergangenem Jahr in Decentraland vertreten.

Entscheidend ist die Lage

Die Bewertung der Metaverse-Liegenschaften ist ähnlich wie in der realen Welt: «Wie bei harten Immobilien bestimmt vor allem die Lage den Preis», schreiben Raiffeisen-Experten in einem im Jahr 2022 erschienenen Immobilienreport, in dem erstmals auch auf virtuelle Welten eingegangen wird. Die relative Attraktivität von verschiedenen Grundstücken definiere sich in einem Metaverse sehr stark durch das User-Aufkommen in der näheren Umgebung. Je mehr Spieler sich im Schnitt in der Nähe des eigenen Grundbesitzes aufhielten, desto mehr Erträge könnten theoretisch mit der Parzelle generiert werden, was wiederum einen höheren Preis rechtfertige.

Virtuelles Land kann auch vermietet oder für unterschiedliche Aktivitäten verwendet werden, zum Beispiel für eine Fashion Show, wie sie im März 2021 in Decentraland veranstaltet wurde. 60 Marken und Projekte waren dort vertreten, es kamen zirka 300 000 Besucher, die Conversion Rate von digitalen Assets betrug 70 Prozent, und an Einnahmen für Miete und kreative Arbeiten kamen

5 Millionen Dollar herein. Solche Zahlen sind noch relativ niedrig im Vergleich zu dem, was mit Gaming erreicht wird: rund 3 Milliarden Spieler und 175 Milliarden Dollar allein im Jahr 2021. Und das zeigt erst den Anfang, was von den Blockchain-basierten Welten zu erwarten ist.

Dümmste Idee aller Zeiten

Wichtigster Erfolgsfaktor ist das Angebot an die User, interessante «Experiences» zu erschaffen. Denn nicht die virtuelle Welt als solche kreiert einen Wert für sie, sondern das, was sie dort erleben und verwirklichen können – ganz nach der Metaverse-Devise «Love, Play & Work». Inzwischen gibt es 160 verschiedene Welten mit Investitionsmöglichkeiten. Michael Gord, Mitbegründer der Metaverse Group, erklärt das Phänomen der künstlichen Verknappung so: «Stellen Sie sich vor, Sie wären nach New York gekommen, als dort nur Ackerland war, und Sie hätten die Möglichkeit, Land im heutigen Soho zu bekommen. Wenn jemand heute einen Immobilienblock in Soho kaufen möchte, ist es unbezahlbar, es ist nicht auf dem Markt.»

Dennoch gibt es auch Skeptiker wie Marc Cuban, ein Venture Capitalist, der im vergangenen August den virtuellen Landkauf als «die dümmste Idee aller Zeiten» bezeichnete – dies obwohl er ein Web3- und Metaverse-Enthusiast ist. Er hat insbesondere in Yuga Labs investiert, die ebenfalls eine virtuelle Welt mit The Otherside (Gaming) erschaffen haben und sich durch eine starke Community differenzieren.

«Die Bewertung der Metaverse-Liegenschaften ist ähnlich wie in der realen Welt.»

Eine reine Investition in diese Länder ohne einen unternehmerischen Zweck, ist jedoch eher etwas für risikofreudige Anleger. So wurde Anfang Januar 2021 beispielsweise in «The Sandbox» die durchschnittliche Landparzelle für unter 150 Dollar verkauft. Nach einem längeren, stetigen Preisanstieg wurde der virtuelle Boden Ende Oktober 2021 bereits für rund 2500 Dollar (plus 1550 Prozent) gehandelt. Im damals herrschenden NFT-Wahn schossen die Preise dann auf über 16 000 Dollar. So konnte sich, wer im Januar 2021 zum Durchschnittspreis von 150 Dollar eine Landparzelle in The Sandbox ergattert hatte, bis zum Oktober desselben Jahres über eine Wertsteigerung von fast 11 000 Prozent freuen. Angesichts des abflachenden Immobilienmarkts eine durchaus attraktive Alternative. Bis Ende Juni 2022 sind die Preise allerdings wieder auf unter 2500 Dollar gefallen.

Theoretisch unterliegen Grundstücke im Metaverse derselben Marktmechanik wie im «echten» Leben. Allerdings kann digitales Land unbegrenzt erstellt werden, was das grundlegende Marktprinzip von Angebot und Nachfrage komplett aushebelt. Daher wenden sich Firmen auch vermehrt Digitalagenturen zu, die virtuelle Welten für sie erschaffen, zum Beispiel auf einer Plattform wie Spatial oder mit den Kreationsmöglichkeiten wie Unreal Engine5 (eine aus dem Gaming bekannte Anwendung), oder sie nutzen Plattformen wie Roblox und Fortnite als Testumgebung zur Neukundengewinnung.

Für Unternehmen stellt sich die strategische Frage des «Buy or build?»: Kaufen oder bauen? Für Investoren ist – abgesehen von der Lage – wichtig zu wissen, wie die Roadmap aussieht, wer zum Team gehört und wie die bisherige Performance ist. Oder wie es JPMorgan in seinem Onyx Report 2021 empfiehlt: «Das asymmetrische Risiko, zurückgelassen zu werden, ist die zusätzliche Investition wert, die erforderlich ist, um loszulegen und diese neue digitale Landschaft selbst zu erkunden.»

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Dieser Artikel ist im Rahmen der NZZaS-Verlagsbeilage «Zukunft Bauen» erschienen. Inhalt realisiert durch NZZ Content Creation in Kooperation mit Brand RelationsHier geht es zu den NZZ-Richtlinien für Native Advertising.

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