«KI wird uns besser oder schneller machen»

Digital

persoenlich.com – Michèle Widmer

Sind ChatGPT oder Midjourney nützliche Alltagstools oder doch Jobfresser? Im Gespräch sagt Luitgard Hagl, Creative Lead Jung von Matt Limmat, wie sich Texter künstliche Intelligenz zunutze machen können. Zudem hebt sie eine Schweizer KI-Kampagne hervor.

Bild: «Wir können entweder Angst haben davor oder wir können mitbestimmen, wie wir KI nutzen»: Ein Midjourney-Porträt von Luitgard Hagl, Managing Creative Director und Agency Lead bei Jung von Matt Limmat, erstellt vom Data-Team Maro. (Bild: zVg)

 

Frau Hagl, «Think outside the box with Jung von Matt Limmat» oder «Challenge the status quo mit Jung von Matt Limmat» – was halten Sie von diesen Slogans für Ihre Agentur?

Die Slogans sind nicht falsch, aber auch noch nicht besonders originell. Kreativität kommt eben nicht aus Maschinen. In diesem Sinn sind die beiden Slogans gute Beispiele dafür, was Textgeneratoren aktuell können und was nicht.

Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit ChatGPT oder anderen Textgeneratoren gemacht?

Ich selber probiere ChatGPT immer wieder aus, wenn es zugänglich ist. Zurzeit ist es ja häufig überlastet. In der Kreation haben wir das Tool noch nicht so häufig im Einsatz, wie ich es gerne hätte. Denn: Man kann sich vor allem am Anfang viel Arbeit damit ersparen.

 

«Texter können sich ChatGPT als Assistenten zunutze machen»

 

Wo konkret kann ChatGPT eingesetzt werden?

Man kann sich zum Beispiel eine Spotidee schon einmal ausformulieren lassen. Diesen ersten Wurf kann man entweder verwerfen, weil er schlecht ist, oder ihn als Sprungbrett zum Weiterarbeiten nutzen. Texterinnen oder Texter können sich ChatGPT also sozusagen als Assistenten zunutze machen. Wenn man Themen zum Beispiel für redaktionelle Formate oder Social Content sucht, kann man sich die von der KI vorschlagen lassen. Solche – nennen wir es Werkbankarbeiten – können wir uns sparen und haben so mehr Zeit für Kreativität.

Sie sagten, ChatGPT kommt bei JvM Limmat noch nicht so häufig zum Einsatz, wie Sie es gerne hätten. Warum ist das so?

Es gibt ein paar sehr Interessierte, aber auch einige Leute, die sich noch keine Zeit dafür freischaufeln konnten. Oder schlicht und einfach nicht wissen, wo sie anfangen sollen.

Als Kreativchefin haben Sie das doch in der Hand. Was haben Sie vor, damit sich das ändert?

Wir planen in den nächsten Wochen eine KI-Woche für unsere Mitarbeitenden, um genau diese Vorbehalte abzubauen. Es sollen alle Zeit erhalten, sich dem Thema anzunähern. Die verschiedenen Wissensstände sollen angeglichen werden.

Welche Jung-von-Matt-Agentur oder welche Abteilungen haben im KI-Bereich bereits ein grosses Know-how?

Wir haben in allen unseren Agenturen Leute, die ausprobieren, inwiefern sich KI im Daily Business einsetzen lässt. Ganz explizit hat sich ein Team um Carsten Jamrow im letzten Jahr auf alle Arten von Data Driven Creativity spezialisiert. In diesem Rahmen haben sie als Erste ChatGPT und Midjourney für sich als Tool entdeckt – und sich auch gleich von der KI nach einem fiktiven Fluss auf dem Mars benennen lassen: Maro. Sie werden uns bei der KI-Woche als Experten und Expertinnen unterstützen, KI-Wissen zu vermitteln, spielerisch damit umzugehen und letzte Berührungsängste abzubauen.

Die Berührungsängste hängen vielleicht auch damit zusammen, dass man – sagen wir vor allem als Texterin oder als Texter – Angst hat, dass der eigene Job bald obsolet wird. Ist diese Angst begründet?

Wer lediglich Gebrauchstexte braucht, wird bald nur noch mit KI arbeiten. Was aber auch nicht weiter schlimm ist. Repetitive Arbeiten ohne grosse Eigenleistung sind traditionell eh nicht die Lieblingstasks von Kreativen (lacht). Ein Trainee, der kürzlich in unsere Jung-von-Matt-Academy eingetreten ist, antwortete auf die Frage, was er nicht so gerne mache, mit: alles was eine KI auch machen kann. Heisst: Er bringt vor allem gerne das Ungewöhnliche ein und verfeinert bestehende Ideen. Die KI wird künftig in der Kreativbranche ein Tool werden, das im Alltag unterstützt und uns besser oder schneller macht. Wir können entweder Angst haben davor oder wir können mitbestimmen, wie wir es nutzen.

Nebst Textgeneratoren gibt es auch verschiedene Bildtools wie Midjourney oder Dall-e. Wie kann sich die Kreativbranche diese Dienste zunutze machen?

Bei Bildern geht es momentan weniger darum, Zeit einzusparen, sondern eher um Inspiration. Also darum, visuelle Ideen zu erhalten, an die man nicht gedacht hat oder die schwer herzustellen sind.

 

«In einigen Monaten wird wohl nicht mehr speziell erwähnt, dass die Kampagne mithilfe von KI erstellt wurde»

 

Was ist hier zu erwarten? Welchen Impact wird das haben?

Vielleicht helfen uns Tools wie Midjourney raus aus dem Authentizitätsterror, in dem wir uns seit etwa zehn Jahren befinden. Seit Jahren dominieren in den Kampagnen Fotografien von superrealistischen und leider auch langweiligen Zielgruppen. Dadurch sind die Marken teils kaum mehr zu unterscheiden. Hier kann die KI helfen, neue Styles zu entdecken und so mal wieder unerwartete Dinge in Motiven zu kombinieren. Das sieht man ganz gut bei der aktuellen Kampagne des Tessiner Weinguts Al Mulinetto.

Sie meinen die aktuelle Kampagne von Farner.

Genau, plötzlich werden aufgrund von KI artifizielle künstliche Welten wieder spannend. Das kennen wir ja bereits aus den 50er-Jahren, als noch viel illustriert wurde.

Ist diese Kampagne ein Paradebeispiel dafür, was zurzeit mit KI möglich ist? Oder ginge da noch mehr?

Solche Motive sind möglich – und noch vieles mehr. Ich glaube aber, dass man in einigen Monaten wohl nicht mehr speziell erwähnen wird, dass die Kampagne mithilfe von KI erstellt wurde. Man wird einfach eine sehr ästhetische Kampagne mit einem coolen Look präsentieren.

Noch wird künstliche Intelligenz als Aufmerksamkeitsgarant genutzt. Wie hoch ist der Druck seitens der Kunden, KI-Cases zu liefern?

Natürlich fragen unsere Kunden danach – und gleichzeitig auch nach Kostenersparnissen. Ich sage dann jeweils, dass wir KI als Tool zur Optimierung nutzen. Die Frage ist dann, ob man in Richtung Effizienz oder in Richtung Exzellenz optimieren will.

 

«Der Hype um Web3 war nicht unbegründet. Es dauert wohl einfach noch etwas länger, als alle meinten»

 

 

Frau Hagl, «Think outside the box with Jung von Matt Limmat» oder «Challenge the status quo mit Jung von Matt Limmat» – was halten Sie von diesen Slogans für Ihre Agentur?

Die Slogans sind nicht falsch, aber auch noch nicht besonders originell. Kreativität kommt eben nicht aus Maschinen. In diesem Sinn sind die beiden Slogans gute Beispiele dafür, was Textgeneratoren aktuell können und was nicht.

Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit ChatGPT oder anderen Textgeneratoren gemacht?

Ich selber probiere ChatGPT immer wieder aus, wenn es zugänglich ist. Zurzeit ist es ja häufig überlastet. In der Kreation haben wir das Tool noch nicht so häufig im Einsatz, wie ich es gerne hätte. Denn: Man kann sich vor allem am Anfang viel Arbeit damit ersparen.

 

«Texter können sich ChatGPT als Assistenten zunutze machen»

 

Wo konkret kann ChatGPT eingesetzt werden?

Man kann sich zum Beispiel eine Spotidee schon einmal ausformulieren lassen. Diesen ersten Wurf kann man entweder verwerfen, weil er schlecht ist, oder ihn als Sprungbrett zum Weiterarbeiten nutzen. Texterinnen oder Texter können sich ChatGPT also sozusagen als Assistenten zunutze machen. Wenn man Themen zum Beispiel für redaktionelle Formate oder Social Content sucht, kann man sich die von der KI vorschlagen lassen. Solche – nennen wir es Werkbankarbeiten – können wir uns sparen und haben so mehr Zeit für Kreativität.

Sie sagten, ChatGPT kommt bei JvM Limmat noch nicht so häufig zum Einsatz, wie Sie es gerne hätten. Warum ist das so?

Es gibt ein paar sehr Interessierte, aber auch einige Leute, die sich noch keine Zeit dafür freischaufeln konnten. Oder schlicht und einfach nicht wissen, wo sie anfangen sollen.

Als Kreativchefin haben Sie das doch in der Hand. Was haben Sie vor, damit sich das ändert?

Wir planen in den nächsten Wochen eine KI-Woche für unsere Mitarbeitenden, um genau diese Vorbehalte abzubauen. Es sollen alle Zeit erhalten, sich dem Thema anzunähern. Die verschiedenen Wissensstände sollen angeglichen werden.

Welche Jung-von-Matt-Agentur oder welche Abteilungen haben im KI-Bereich bereits ein grosses Know-how?

Wir haben in allen unseren Agenturen Leute, die ausprobieren, inwiefern sich KI im Daily Business einsetzen lässt. Ganz explizit hat sich ein Team um Carsten Jamrow im letzten Jahr auf alle Arten von Data Driven Creativity spezialisiert. In diesem Rahmen haben sie als Erste ChatGPT und Midjourney für sich als Tool entdeckt – und sich auch gleich von der KI nach einem fiktiven Fluss auf dem Mars benennen lassen: Maro. Sie werden uns bei der KI-Woche als Experten und Expertinnen unterstützen, KI-Wissen zu vermitteln, spielerisch damit umzugehen und letzte Berührungsängste abzubauen.

Die Berührungsängste hängen vielleicht auch damit zusammen, dass man – sagen wir vor allem als Texterin oder als Texter – Angst hat, dass der eigene Job bald obsolet wird. Ist diese Angst begründet?

Wer lediglich Gebrauchstexte braucht, wird bald nur noch mit KI arbeiten. Was aber auch nicht weiter schlimm ist. Repetitive Arbeiten ohne grosse Eigenleistung sind traditionell eh nicht die Lieblingstasks von Kreativen (lacht). Ein Trainee, der kürzlich in unsere Jung-von-Matt-Academy eingetreten ist, antwortete auf die Frage, was er nicht so gerne mache, mit: alles was eine KI auch machen kann. Heisst: Er bringt vor allem gerne das Ungewöhnliche ein und verfeinert bestehende Ideen. Die KI wird künftig in der Kreativbranche ein Tool werden, das im Alltag unterstützt und uns besser oder schneller macht. Wir können entweder Angst haben davor oder wir können mitbestimmen, wie wir es nutzen.

Nebst Textgeneratoren gibt es auch verschiedene Bildtools wie Midjourney oder Dall-e. Wie kann sich die Kreativbranche diese Dienste zunutze machen?

Bei Bildern geht es momentan weniger darum, Zeit einzusparen, sondern eher um Inspiration. Also darum, visuelle Ideen zu erhalten, an die man nicht gedacht hat oder die schwer herzustellen sind.

 

«In einigen Monaten wird wohl nicht mehr speziell erwähnt, dass die Kampagne mithilfe von KI erstellt wurde»

Was ist hier zu erwarten? Welchen Impact wird das haben?

Vielleicht helfen uns Tools wie Midjourney raus aus dem Authentizitätsterror, in dem wir uns seit etwa zehn Jahren befinden. Seit Jahren dominieren in den Kampagnen Fotografien von superrealistischen und leider auch langweiligen Zielgruppen. Dadurch sind die Marken teils kaum mehr zu unterscheiden. Hier kann die KI helfen, neue Styles zu entdecken und so mal wieder unerwartete Dinge in Motiven zu kombinieren. Das sieht man ganz gut bei der aktuellen Kampagne des Tessiner Weinguts Al Mulinetto.

Sie meinen die aktuelle Kampagne von Farner.

Genau, plötzlich werden aufgrund von KI artifizielle künstliche Welten wieder spannend. Das kennen wir ja bereits aus den 50er-Jahren, als noch viel illustriert wurde.

Ist diese Kampagne ein Paradebeispiel dafür, was zurzeit mit KI möglich ist? Oder ginge da noch mehr?

Solche Motive sind möglich – und noch vieles mehr. Ich glaube aber, dass man in einigen Monaten wohl nicht mehr speziell erwähnen wird, dass die Kampagne mithilfe von KI erstellt wurde. Man wird einfach eine sehr ästhetische Kampagne mit einem coolen Look präsentieren.

Noch wird künstliche Intelligenz als Aufmerksamkeitsgarant genutzt. Wie hoch ist der Druck seitens der Kunden, KI-Cases zu liefern?

Natürlich fragen unsere Kunden danach – und gleichzeitig auch nach Kostenersparnissen. Ich sage dann jeweils, dass wir KI als Tool zur Optimierung nutzen. Die Frage ist dann, ob man in Richtung Effizienz oder in Richtung Exzellenz optimieren will.

 

«Der Hype um Web3 war nicht unbegründet. Es dauert wohl einfach noch etwas länger, als alle meinten»

 

Wir haben nun viel über die Chancen gesprochen, welche Herausforderungen bringt KI mit sich?

Einige davon sind sicherlich ethischer und rechtlicher Natur. Es geht um Fragen wie: Ist es in Ordnung, wenn ein Sujet mit künstlicher Intelligenz kreiert wurde? Muss man das kennzeichnen? Muss man bei Text-Content kennzeichnen, dass man Fact Checking gemacht hat? Gerade beim letzten Punkt wird am Schluss ordentlich Zeit investiert werden müssen. Die künstliche Intelligenz macht ja noch keinen Unterschied, ob die Information erfunden oder aus dem Netz gefischt wurde.

Noch bis vor Kurzem wurde das Metaverse als das nächste grosse Ding gehypt. Wird das nun durch die KI abgelöst?

Der Hype um das Metaverse war so gross, dass jeder einfach schnell etwas gemacht hat. Da entstanden aber noch wenige Arbeiten, die relevant waren und Web3 intelligent nutzten. Auch bei den Cannes Lions warteten alle vergeblich darauf. Und als die Agenturen dabei waren, einen solchen einzigartigen Case zu erarbeiten, wurde das Thema schon wieder abgelöst. Auch weil die Kurse der NFTs derart eingebrochen sind. Es war schlechtes Timing für das Metaverse, um nachhaltige, coole Use Cases zu generieren. Aber um mit einer positiven Note zu enden: Der Hype um Web3 war nicht unbegründet. Es dauert wohl einfach noch etwas länger, als alle meinten.

Sie haben letztes Jahr bei den Cannes Lions mitjuriert. Wird Jung von Matt Limmat dieses Jahr dort wieder Arbeiten einreichen? Und schicken Sie wieder eine Delegation von Kreativen an die Côte d’Azur?

Das haben wir beides noch nicht entschieden.

Zum Abschluss: Wo lassen Sie sich inspirieren in Bezug auf KI? Oder gibt es eine oder mehrere Kampagnen, die Sie beeindruckt haben?

Direkt vor der Haustür gab es diesen Winter natürlich die Galaxus-Kampagne, die sehr schön gezeigt hat, wie gut es mit KI gerade funktioniert, viele relevante Motive nach einem bestimmten Muster zu machen. Die Kampagne hat aber auch mit dem berühmten Augenzwinkern der Marke gezeigt, was ohne menschliche Hilfe noch nicht so ganz funktioniert. Ich denke also: Die Arbeit mit KI wird noch eine Weile eine fruchtbare Kooperation bleiben und kein «hostile takeover» werden (lacht).

 

Der Artikel vom Michèle Widmer

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