Knigge versus Digital Ethik – Blogbeitrag von Petra Rohner

Ethik

Veränderung ist die stetige Konstante, die wir in der Vergangenheit hatten und auch in Zukunft weiterhin haben werden.

Was uns darüber hinaus immer mehr fordert, ist die Geschwindigkeit, die uns in Kombination zusammen mit der Veränderung auferlegt wird.

In den letzten Jahrzehnten hat sich gezeigt, dass diese Veränderungen einen immer grösseren Einfluss auf die Werte und Umgangsformen in unserer Gesellschaft haben.

Das fordert besonders Eltern, die sich bis anhin in der Erziehung trotz grosser Veränderungen auf die Werte verlassen konnten, die ihnen vermittelt worden sind, und die langsam spüren, dass das nicht mehr genügt.

Denn oft werden Regeln und Umgangsformen, die wir noch immer versuchen zu vermitteln, im Alltag der Kinder und Jugendlichen anders gedeutet und gelebt.

· Respekt vor Erwachsenen Hiess früher: Zuhören und sich mit seiner Meinung zurückhalten.

Heute vertreten Jugendliche ihre Ansicht offen.

· Höflichkeit in der Kommunikation

Hiess früher: Wenig bis keine Emotionen zeigen.

Heute lassen Jugendliche ihren Gefühlen eher freien Lauf.

· Tischregeln Waren früher klar und bis ins Detail vorgegeben und wurden befolgt.

Sie haben ihren Stellenwert eingebüsst und werden heute oftmals ignoriert.

· Vermeiden von öffentlichen Auseinandersetzungen

Meinungsverschiedenheiten wurden früher nicht öffentlich ausgetragen.

Heute stellen Jugendliche andere offen zur Rede.

Jugendliche erleben heute in ihrem Alltag tagtäglich Situationen, aus denen sie für sich die Erkenntnis ziehen: Was meine Eltern vermitteln, stimmt so für mich nicht. Ein Stück weit ist das der natürliche Lauf der Dinge, weil der Schritt ins Erwachsenenalter mit Aufbegehren und dem Finden einer eigenen Meinung einher geht.

Doch jetzt kommt ein neuer Aspekt hinzu, mit dem selbst die Erwachsenen überfordert scheinen, sodass sich die Frage stellt: Wie sollen sie dabei ihren Kindern und Jugendlichen eine Stütze sein können?

Ein wichtiger Teil unserer heutigen Veränderungen wird durch die Digitalisierung verursacht – sei es im beruflichen Umfeld, als Konsumierende oder in unserem privaten Alltag.

Um uns die Angst und sogar den Respekt vor diesen Neuentwicklungen zu nehmen, wird mit vertrauten Formen, Bildern und Geräuschen/Stimmen gearbeitet.

· Das Navigationssystem weist uns mit einer freundlichen Stimme an. Wenn wir diesen Service nutzen, geben wir aber transparent unseren Aufenthaltsort preis.

· Das Fernsehprogramm können wir durch Sprachsteuerung anwählen.

Damit geben wir bekannt, welches unsere Vorlieben sind.

· Die Telefonnummer wählen wir ebenfalls mit Sprachsteuerung und lassen uns gleich mit der Videokamera verbinden. Damit gewähren wir gar Einsicht in unsere Wohnungen.

Aus Bequemlichkeit nutzen wir heute viele verschiedene Services und geben damit Daten über uns frei, ohne uns wirklich der Konsequenzen bewusst zu sein. Wie sollen wir so unseren Kindern Achtsamkeit vermitteln, wenn wir sie nicht selbst leben?

Es gibt einen Weg zwischen völliger Bedenkenlosigkeit und prinzipieller Verweigerung aus Angst und Vorsicht: den schmalen Grat des bewusstem Umgangs.

Wir müssen die Generation von morgen weiterhin mit den Werten unserer Gesellschaft begleiten. Wir müssen gleichzeitig aber damit beginnen, diese Werte auf den aktuellen Stand zu bringen.

Der Begriff «Digital Ethik» ist überall präsent, doch was bedeutet es für uns?

Fake News zum Beispiel nehmen wir bereits als eine Art Selbstverständlichkeit hin. Falschmeldungen gab es schon früher, nur konnten sie rascher identifiziert werden und man konnte besser ermitteln, wer ihr Urheber war. Die Verbreitung von Fake News hat eine Dimension erreicht, über die wir unsere Kinder vom ersten Umgang mit Handy und Tablett an unterrichten müssen.

Für alle Generationen ist der Umgang mit unserer Kommunikation schwierig geworden, speziell wenn es darum geht, sich in den sozialen Netzwerken öffentlich zu äussern. Nur jene, die in sich gefestigt sind, wissen, was für sie richtig und falsch ist und können in diesem Umfeld bestehen.

Neben Knigge- und Anstandsregeln ist es heute unsere Pflicht, junge Menschen auch in dem sich verändernden digitalen Umfeld zu begleiten.

Robotik und «Digital Ethik»

Uns allen ist bewusst, dass der Schritt zum Hausroboter, der uns den Alltag erleichtert, bereits gemacht wurde. Diese Entwicklung wird noch perfektioniert werden. Denn unsere Vorsicht und Zurückhaltung gegenüber Unbekanntem hat die Entwickler bewogen, die digitalen Werkzeuge zu vermenschlichen.

Das Ziel ist, dass wir jede Angst und jedes Bedenken abgelegen, weil diese Maschinen menschenähnlich gestaltet sind. Sie sollen gar sympathisch wirken. Darum bekommen sie angenehme Stimmen, sie erhalten menschliche Formen, eine hautähnliche Oberfläche und vertraute Gesichtszüge.

Unsere Kinder haben heute schon Puppen und Figuren, welche die Vorreiter dieser Entwicklung sind. Auch wir liebten unsere Spielzeuge, aber sie hatten nur Leben in unserer Fantasie. Die Puppen der heutigen Entwicklung lösen mit ihrem Aussehen, so wie sie sich anfühlen und wie sie sprechen, tiefe Emotionen bei den Kindern aus. Wir sind z.T. sogar schon so weit, dass solche Roboter-Maschinen bei Erwachsenen Ersatz für reale Menschen sind.

Wie werden wir dereinst damit umgehen, wenn in Zukunft den Maschinen Gefühle einprogrammiert werden? Müssen wir bei der Erziehung unserer kommenden Generation nicht nur Werte und Anstandsregeln unserer Gesellschaft vermitteln, sondern auch, wie wir mit unseren Hilfswerkzeugen umgehen?

Und wenn ich schreibe «Hilfswerkzeug», dann stelle ich mir jetzt einen Roboter vor, den wir nicht auf den ersten Blick als solchen erkennen können, da es eine Maschine mit einem sympathischem Gesicht sein wird, mit freundlichen Augen und angenehmer Stimme.

Darf in Zukunft eine solche Maschine geschlagen, beschimpft und bei Nicht-Erfüllen der Pflicht einfach entsorgt werden?

Ich bin sicher, die Frage hört sich für viele lächerlich an. Vielleicht betrifft es Sie auch nicht mehr direkt. Die Chance ist dennoch gross, dass Sie später in der Beziehung mit ihren Enkelkindern oder im weiteren privaten Umfeld damit konfrontiert werden könnten.

Ich bin mir bewusst geworden: Die Werte, die mir durch meine Erziehung vermittelt wurden, haben mich geprägt. Ich darf mich aber nicht damit begnügen. Es ist meine Aufgabe, die Veränderungen zu beobachten und einen ständigen Abgleich mit meinen Werten zu machen. Nur so kann ich für mich sicher sein, dass auch in Zukunft Respekt, Höflichkeit, Regeln und Anstand in der Gesellschaft Platz haben werden.

 

Ein Artikel vom 2018, der noch immer passend ist. petrarohner.ch

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