watson – evelyn pohl
Herzchen für Tweets sind out, man sternt jetzt Tröts! Beim Kurznachnachrichtendienst Twitter fand schon im April 2022, nach der Übernahmeankündigung von Tesla-Milliardär Elon Musk, ein Exodus statt.Viele einflussreiche Twitterer wie der Satiriker Jan Böhmermann oder der Schriftsteller Saša Stanišić richteten sich bereits im Frühjahr ein neues soziales Zuhause bei Mastodon ein.
Masto-was? Der Name mutet für ein soziales Netzwerk, das nun der Place-to-be für alle Musk-flüchtigen Kurznachrichtenfans sein soll, schon etwas merkwürdig an. Und bitte nicht verwechseln mit der gleichnamigen US-Metalband. Das Mastodon ist, laut Wikipedia, ein ausgestorbenes nordamerikanisches Rüsseltier der Gattung Mammut.
Warum der Gründer der Plattform, der Jenaer Entwickler Eugen Rochko, ausgerechnet diesen Namen für seinen 2016 gegründeten Microbloggingdienst gewählt hat, ist nicht bekannt. Das Logo ist ein fröhlicher Urzeitelefant und damit erklärt sich auch, warum auf Mastodon die Nachrichten Tröts heissen.
Der Hauptunterschied zu Twitter liegt bei Mastodon in der dezentralen Struktur, die Plattform liegt auf verschiedenen Servern, die von Privatpersonen oder Gemeinschaften betrieben werden. Diese Instanzen genannten Server bilden zusammen ein grosses Netzwerk, nach dem Konzept des unabhängigen Fediverse.
Man kann sich bei seiner Anmeldung entweder nach Interesse eine thematische oder eine allgemeine Instanz raussuchen. Diese ist dann sozusagen die Home-Community und bestimmt auch die eigene Mastodon-Adresse. Jede Instanz hat auch ihre eigene «Hausordnung» mit entsprechenden Verhaltensregeln.
Die Beiträge erscheinen in chronologischer Reihenfolge und sind nicht durch Algorithmen vorsortiert, Werbung gibt es auch keine. Bei Mastodon kann man 500 Zeichen in einem Beitrag schreiben, nicht 280 wie bei Twitter. Man kann sich entweder nur Nachrichten aus seiner eigenen Instanz anzeigen lassen, unter «Föderation» sieht man alle Tröts (oder englisch: Toots) weltweit in Echtzeit.
Der Rest lässt sich kurz fassen: Man favorisiert Tröts mit Sternen, es gibt ebenso wie bei Twitter Hashtags und Listen. Man kann Umfragen und Bilder tröten und vor jedem Tröt lässt sich individuell einstellen, ob dieser öffentlich, nur für Folgende (bei Mastodon auch genannt: Folmaster) sichtbar oder als Privatnachricht verschickt wird. Eine Kurzanleitung zum Nachlesen für alle interessierten Tröter-in-Spe findet sich hier.
Der Hauptunterschied zu Twitter ist aber nach wie vor die deutliche Feel good-Atmosphäre und wohltuende Netiquette, die auch sechs Monate nach der ersten Twitter-Exoduswelle noch auf der Plattform herrscht. Weniger harte Fakten und Politik, dafür umso mehr gute Laune und Albernheit. Unter dem Hashtag #neuhier trudeln freundlich-neugierige Nutzer ein, die sich meist im #Fediverse erst mal umsehen wollen.
Bild/watson-shutterstock