Persoenlich.com – «Clubhouse trifft den Nerv der Zeit»

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Die Social-Media-App ist momentan in aller Munde – positiv wie negativ.

Insbesondere der beschränkte Zugang sorgt für Kritik.

Die Digital-Ethikerin Cornelia Diethelm sagt im Interview, warum sie trotzdem auf der Plattform ist und wo man als neuer User aufpassen sollte.

Frau Diethelm, sind Sie Mitglied bei Clubhouse?
Ich bin seit letzter Woche dabei und muss sagen: Ich bin begeistert!

Weshalb?
Ich bin eigentlich ein grosser Twitter-Fan, da man auf dieser Plattform gut diskutieren kann und auf spannende neue Themen aufmerksam wird. Clubhouse funktioniert ähnlich, nur mit dem gesprochenen Wort. Dies bringt eine ganz neue Dynamik mit sich. In diesem Sinne ist es ein Diskussionsformat, bei dem jeder zu einem spezifischen Thema einen virtuellen Raum eröffnen und inhaltlich gestalten kann.

Können Sie Beispiele nennen?
Es wird beispielsweise über Datenschutz, female founders, Angeln, die Beziehung Deutschland-USA oder über Clubhouse selber diskutiert. Es gibt auch Personen, die treffen sich einfach mal in einem Raum, und schauen dann, über was sie reden wollen.

Haben Sie auch schon schlechte Erfahrungen gemacht?
Ich selber nicht. Kürzlich habe ich gehört, dass man in Europa, weil es neu ist, noch recht nett zueinander ist. Offenbar geht es im englischsprachigen Raum teilweise recht ruppig zu. Das ist plausibel, da soziale Medien, sobald sie etabliert sind, immer mehr Personen anziehen. Das hat erfreuliche, aber auch problematische Aspekte.

 

«Eine solche Ausgrenzung ist für das Image einer App nicht optimal»

 

Was ist problematisch an Clubhouse?
Momentan haben nur Personen mit einem iPhone sowie einer Einladung eines Mitglieds Zugang zur App. Dies führt dazu, dass sich Personen ausgeschlossen fühlen und Clubhouse etwas zu einem elitären Club macht. Das finde ich sehr unschön. Diese Verknappung wird damit begründet, dass die App erst noch in der Beta-Version ist. Eine solche Ausgrenzung ist für das Image einer App sicher nicht optimal und hinterlässt ein etwas schales Gefühl als Userin.

Was noch?
Im Zuge dieses momentanen Hypes wollen wir als User möglichst schnell Zugang haben. Beim Anmeldeprozess werden wir dann gefragt, ob wir das Adressbuch des Smartphones mit der App teilen möchten. Dabei weiss man nicht genau, was mit diesen Daten passiert. Hier stünden die Entwickler der App in der Verantwortung, transparent aufzuzeigen, was passiert, wenn man dem zustimmt oder eben nicht. Ohne diese Information – so wie es jetzt ist – macht man einfach den Standardprozess durch. Gerade Personen mit einer Sensibilität für den Datenschutz fühlen sich später etwas schuldig, wenn sie das Adressbuch teilen. So, als hätten sie etwas falsch gemacht.

Warum ist denn das Teilen des Adressbuchs problematisch? Dann sieht man ja auch gleich, welche bestehenden Kontakte schon bei Clubhouse sind.
Das Problem hierbei ist, dass wir damit Daten von Personen mit der App teilen, die unter Umständen gar nicht auf Clubhouse sein wollen. Diese Daten, die ja nicht einmal die eigenen sind, landen dann auf irgendwelchen Servern in Nordamerika.

Ihre Bedenken sind sicher berechtigt. Man muss dazu aber ja auch sagen, dass dies bei anderen sozialen Plattformen wie WhatsApp, Instagram oder auch Signal so geschieht.
Klar kann man so argumentieren. Gewisse Plattformen funktionieren nicht oder weniger gut, wenn ich ihnen den Zugriff auf meine Kontakte nicht erlaube. Bei Clubhouse ist es so, dass ich die App auch ohne Zugriff auf mein Adressbuch nutzen kann. Mir werden die Kontakte einfach nicht automatisch angezeigt, sondern ich muss sie innerhalb der App über den Namen suchen.

Sie haben es erwähnt, momentan ist der Zugang beschränkt. Andererseits kann man ja auch argumentieren, dass es bei anderen sozialen Plattformen auch Beschränkungen gibt: Man kann nicht jeder Facebook-Gruppe oder jedem WhatsApp-Chat beitreten.
Das stimmt. Das heisst aber nicht, dass dies gut ist. Wenn es darum geht, dass Clubhouse eine beschränkte Kapazität hat, dann würde man die App besser in gewissen Ländern ausrollen statt auf der ganzen Welt. Clubhouse führt dazu, dass gewisse Personen denken, sie hätten keine Freunde und sie deshalb keinen Invite bekommen haben. Ein verantwortungsvolles Unternehmen sollte solche Dinge vermeiden.

Aus marketingtechnischer Sicht ist es wohl sinnvoll, für so eine Exklusivität zu sorgen.
Aus einer gesellschaftlichen Perspektive ist es aber problematisch, Menschen bewusst auszuschliessen. Es wird ja auch auf anderen Kanälen und Plattformen über Clubhouse geredet und es gibt nicht einmal die Möglichkeit, dass man sich einen Zugang kaufen kann.

Hier muss noch angemerkt werden, dass man sich eine Einladung durchaus kaufen kann: Auf Ebay und Ricardo findet man zahlreiche Angebote für solche Invites. Wie sinnvoll dies ist, ist natürlich eine andere Frage.
Da haben Sie recht. Die meisten Personen überlegen sich aber nicht, wie sie Zugang zu Clubhouse bekommen, sondern sie halten sich an das, was kommuniziert wird.

Ganz grundsätzlich: Ist Clubhouse gekommen, um zu bleiben?
Davon bin ich überzeugt, ja. Denn ich glaube nicht, dass der Hype wegen dieser künstlichen Verknappung entstanden ist, sondern weil es den Menschen schlicht gefällt. Man kann sich niederschwellig in eine Diskussion einschalten, kann aktiv mitdiskutieren oder einfach nur zuhören. Was auch spannend ist: Andere User kann man nicht via Direktnachricht anschreiben und man kann auch keine Likes verteilen.

 

Clubhouse ist auch attraktiv für Unternehmen»

 

Warum gefällt Ihnen das?
Bei Clubhouse kann man nur zuhören oder mitdiskutieren. Es konzentriert sich alles auf die Diskussion und damit auf die Live-Situation. Zum Beispiel hat die Hochschule für Wirtschaft Zürich am Donnerstag einen Talk zum Thema Online-Weiterbildung organisiert. Da haben sich Studiengangsleitende und Studierende dazu geäussert, es konnten aber auch Personen aus dem Publikum an der Diskussion teilnehmen. Dies finde ich einen sehr schönen Mechanismus, das Herzstück von Clubhouse, was auch grosse soziale Aspekte aufweist. Deshalb ist Clubhouse auch attraktiv für Unternehmen: Sie bekommen effektiv Feedback. Das erhalten sie auf Twitter teilweise auch, bei Clubhouse ist es direkter und aktiver, weil es innerhalb einer Diskussion geschieht.

Dies beinhaltet wohl aber auch einen grossen Aufwand für Unternehmen: sich stundenlang in solchen Räumen zu befinden, um einfach zuzuhören.
Ich kann mir vorstellen, dass dies wie Twitter als zusätzlicher Kanal dienen wird, um den Puls zu fühlen. Einerseits kann man es als Screening nutzen, um herauszufinden was Menschen gerade bewegt. Andererseits kann es auch interessant sein, um gezielt Feedback zu erhalten.

Diese App hat aber wohl auch wegen der Pandemie einen Nerv getroffen.
Genau. Wir haben momentan wohl alle ein Defizit, was den sozialen Austausch angeht. Ausserdem kann man die Inhalte, weil das Bild wegfällt und alles auf dem gesprochenen Wort basiert, zum Beispiel auch im Bett konsumieren oder wenn man gerade etwas in der Küche macht. Das ist viel niederschwelliger als an einer Videokonferenz teilzunehmen.

 

«Was mit diesen Aufzeichnungen passiert, weiss man nicht»

 

Ist Clubhouse mehr ein Twitter oder ein Facebook?
Twitter, denn es braucht einen aktiven Beitrag. Selbst beim Zuhören muss ich mir überlegen, bei welchem Thema ich dies tun will. Dies ist schon mal anders, als wenn ich einfach private Fotos teile. Deshalb kann ich mir gut vorstellen, dass Clubhouse zu einer Plattform wird für Interessierte, die sich themenbezogen austauschen wollen – verknüpft mit Networking. Und gerade darum ist es so wichtig – und das soll ja geplant sein –, dass die Plattform für alle zugänglich ist. So haben wir eine möglichst grosse Vielfalt an Themen und Meinungen.

Wo haben Sie sonst noch Bedenken beim Thema Datenschutz?
Neben der bereits erwähnten Problematik mit dem Adressbuch überlegt man sich nicht, wer genau hinter einer App wie Clubhouse steckt und wo die gesammelten Daten hingehen. Ausserdem werden die Diskussionen aufgezeichnet. Was mit diesen Aufzeichnungen passiert, weiss man nicht.

Die Betreiber – ehemalige Google- und Pinterest-Mitarbeitende – begründen diese Aufzeichnungen damit, dass man so im Nachhinein Leute identifizieren kann, die gegen die Richtlinien der Plattform verstossen haben.
Die Aufnahme selbst ist auch weniger ein Problem, solange sichergestellt ist, dass sie sicher aufbewahrt, nach einer gewissen Zeit gelöscht und nicht irgendwie verkauft wird.

 

«Hass führt dazu, dass sich Personen nicht mehr äussern»

 

Was ich hier auch noch ansprechen möchte, ist die soziale Kontrolle der App: Wenn jemand einen anderen zu Clubhouse einlädt und dieser sich dann zum Beispiel rassistisch äussert, werden beide von der Plattform gesperrt.
Ich könnte mir sogar vorstellen, dass es mit der Zeit einen Mechanismus innerhalb der Gruppe selbst gibt, wie wir es zum Beispiel bei Twitter kennen. Sprich, wenn mehrere Personen einen bestimmten User melden, dass der dann gesperrt wird. Denn Hass, Rassismus und Diskriminierung lassen sich nur beschränkt zentral managen. Es braucht die Hilfe der Community. Sicherlich ist dies für jeden Plattformbetreiber eine Herausforderung, und neue Anbieter wie Clubhouse müssen dies von Anfang an bedenken.

Gerade momentan stehen die grossen Plattformen ja unter ziemlichen Druck, rigoroser bei problematischen Inhalten durchzugreifen. Da wird es sich Clubhouse nicht leisten können, da nicht mitzuziehen.
Genau, das ist auch extrem wichtig. Hass in den sozialen Netzwerken führt dazu, dass sich andere Personen nicht mehr äussern. Dies kann nicht das Ziel sein. Der Online-Raum beinhaltet ja diese Riesenchance, sich mit einer Vielfalt von Meinungen auseinanderzusetzen. Ausserdem hat man bei Clubhouse auch die Möglichkeit, geografische Grenzen zu überwinden, indem man beispielsweise an einer Diskussion in Nordamerika teilnimmt. Dies ist ja eine schöne Geschichte, dass solche Diskussionen viel globaler werden. Da sehe ich auch Potenzial, um Fremdsprachen zu lernen.

 

«Momentan zielen sicherlich Interessenten mit viel Geld auf einen Kauf»

 

Das ganze Interview auf Persoenlich.com

 

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