Reinigungsarbeiterinnen erkämpfen sich Autonomía

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Neun Reinigungsarbeiterinnen aus Zürich haben sich zusammengeschlossen, um ihr eigenes Unternehmen Autonomía zu gründen. Sie verfolgen das Ziel, für die Reinigungsarbeit mehr finanzielle und gesellschaftliche Wertschätzung zu erkämpfen.

Der Verein FRAUEN 50Plus begleitet und unterstützt sie in ihrem Vorhaben.

Die zukünftigen Unternehmerinnen kommen aus Südamerika und sind zwischen 40 und 60 Jahren alt. Sie arbeiten seit ihrer Ankunft in der Schweiz als Reinigungskräfte, obwohl sie ursprünglich gelernte Pflegefachfrauen, Buchhalterinnen oder Lehrerinnen sind. Wie für viele Frauen aus Staaten ausserhalb Europas, deren Diplome nicht anerkannt sind oder die kein Diplom haben, konnten sie nur in der Reinigungs- und der Gastronomiebranche arbeiten.

Die geringe Wertschätzung der Reinigung

Die Reinigung ist eine körperlich anstrengende Arbeit, die Organisationskompetenzen und Flexibilität erfordert. Es handelt sich um eine gesellschaftlich notwendige und wertvolle Arbeit, nicht zuletzt für die Gleichstellung. Denn je mehr die Hausarbeit externalisieren können, desto eher können beide Elternteile ihrer Karriere nachgehen. Dennoch gehören die Reinigungskräfte zu den am schlechtesten bezahlten Arbeitnehmenden, die zudem wenige Rechte und Schutzmassnahmen haben. Die Arbeit findet in privaten Haushalten statt, ist somit unsichtbar und nicht geschützt, denn das «Private» ist vom Arbeitsgesetz und den Gesamtarbeitsverträgen ausgenommen.

Bessere Arbeitsbedingungen dank Autonomía

Mit der Gründung ihres Unternehmens nehmen die Reinigungsarbeiterinnen die Zukunft ihrer Branche selbst in die Hand. Sie verfolgen dabei die Vision, der Reinigungsarbeit jenen Wert zu geben, den diese Arbeit verdient.

Autonomía wird jedoch kein herkömmliches Unternehmen sein, sondern eine Plattformkooperative, also eine Genossenschaft mit einer eigenen Onlineplattform. Die Reinigungsarbeiterinnen werden die Kooperative Autonomía besitzen und leiten, wodurch sie ihre Arbeitsbedingungen selbst auf demokratische Weise bestimmen können. Dank ihrer eigenen Onlineplattform können administrative Aufgaben automatisiert und dadurch Kosten eingespart werden. Sie können sich selbst faire Löhne und fortschrittliche Sozialversicherung auszahlen, statt den von ihnen erarbeiteten Gewinn an Firmenbesitzer abtreten zu müssen. Die Frauen erkämpfen sich so längerfristig wirtschaftliche Freiheit und Autonomie.

Die zukünftigen Unternehmerinnen bauen das Fundament ihrer Kooperative

Die neun Frauen arbeiten seit drei Monaten daran, die Gründung ihrer Kooperative vorzubereiten. Unterstützt und begleitet werden sie dabei von FRAUEN 50Plus. Dieser Verein, der 2019 selbst von Frauen mit Migrationserfahrung in Zürich gegründet wurde, wird als Trägerschaft der Kooperative fungieren (Mehr Infos in der Box). Im Rahmen des Gründungskurses, der von Juli bis Dezember 2021 läuft, werden den zukünftigen Gründerinnen die rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Grundlagen von feministischen Expertinnen vermittelt. Gleichzeitig bauen sie in einem partizipativen Verfahren das Fundament ihrer Plattformkooperative auf. Bis jetzt haben sie bereits ihr Leitbild, Organigramm und ihre Geschäftsidee definiert. Die nächsten zwei Monate werden sie ihren Businessplan und die Onlineplattform entwickeln. Mehr zum Stand der Entwicklung von Autonomía und zum Hintergrund von Plattformkooperativen folgen im nächsten Newsletter.


FRAUEN 50Plus als Trägerschaft

Der Verein bietet seit 2019 Kurse zur sprachlichen Förderung und Befähigung von Frauen an. Bisher haben rund 100 Frauen von den vergünstigten Kursen profitiert. Das Ziel dieses Angebotes ist die Förderung ihrer Arbeitsmarktfähigkeit. Der Verein basiert auf freiwilligem Engagement seiner Mitglieder. Seit September werden die Deutschkurse vom Integrationskredit der Stadt Zürich unterstützt.

Jael Bueno und Sabri Schumacher

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