Seit 2017 politisch tot: Nun wollen die Aargauer Frauenverbände die Fachstelle für Gleichstellung reanimieren

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Aargauer Zeitung – 2017 wurden der Fachstelle für Gleichstellung im Kanton Aargau die Gelder gestrichen – und die politische Linke wurde vor den Kopf gestossen. Nun wollen die Frauenverbände die Stelle wieder installieren und gründen einen Verein.

Auch sechs Jahre später leckt die Aargauer Frauenbewegung noch ihre Wunden.

Am 28. November 2017 erlitt sie ihre wohl empfindlichste Niederlage: Regierungsrat und Parlament wollten sparen und strichen der Fachstelle für Gleichstellung die Gelder. Die Fachstelle wurde umfunktioniert und kümmert sich seither um Alters- und Familienfragen. Eine Petition, eine Motion, ein Protest – nichts half: Die Fachstelle Gleichstellung war Geschichte, die Bewegung vor den Kopf gestossen.

Nun wagen die Frauenorganisationen im Kanton einen neuen Versuch, die Fachstelle nach ihrem politischen Tod wieder zum Leben zu erwecken: mit einem Verein. Am kommenden Samstag findet der Gründungsanlass für den Verein Gleichstellung Aargau statt. Dessen erklärtes Ziel: Der Kanton soll wieder eine Fachstelle für Gleichstellung erhalten.

Doch bis es auf politischem Weg so weit ist, könnte es dauern. «Wir haben uns gesagt: Wir warten nicht, wir werden selbst aktiv», sagt Sabine Sutter-Suter, designierte Präsidentin des Vereins. In einem ersten Schritt will der Verein ein Gesuch für eine Fachstelle einreichen und Spendengelder sammeln, um selber Beratungen zu Gleichstellungsfragen anbieten zu können.

Die formulierten Ziele bleiben auf der Website allgemein: Bekämpfung von Altersarmut aufgrund von unbezahlter Kinderarbeit oder die Aufwertung von Care-Arbeit. «Der Zugang sollte möglichst niederschwellig sein», sagt Sutter-Suter. Das langfristige Ziel aber bleibt: die Schaffung einer kantonalen Fachstelle. «Sollten wir uns etablieren, könnte dies auch mit einer Leistungsvereinbarung geschehen.»

«Fachstelle wäre ein klares Statement des Kantons»

Doch warum ist eine institutionalisierte Fachstelle so wichtig für die Bewegung? «Sie wäre eine klare Anlaufstelle für Betroffene, aber auch ein Gesprächspartner für die Kantonsverwaltung», sagt die Präsidentin der Mitte-Frauen Aargau und betont: «Eine Fachstelle wäre auch ein klares Statement des Kantons.»

Die Statements des Kantons waren zuletzt durchaus klar: gegen eine Fachstelle. Seit 1981 ist die Gleichstellung der Geschlechter in der Bundesverfassung festgeschrieben – doch über die Umsetzung stritten sich die Kantone mit der politischen Linken und den Frauenorganisationen nach der Abschaffung.

Die Regierung interpretiert den Gleichstellungsauftrag der Verfassung seit 2018 als Aufgabe der Departemente, die Frauenorganisationen finden hingegen, alle Bewohnerinnen und Bewohner des Kantons müssten mitgedacht werden. «Gleichstellung muss im ganzen Kanton erreicht werden – und nicht nur in der Verwaltung. Und dies erreicht man nur mit einer Fachstelle», sagt Sutter-Suter.

Als Sutter-Suter nach der Abschaffung, damals noch Grossrätin, in einer Motion einen adäquaten Ersatz für den Verfassungsauftrag forderte, lehnte der Regierungsrat ab. Das Parlament folgte dieser Ansicht. Damit setzt der Aargau im Gegensatz zur Mehrheit der Kantone den Verfassungsauftrag anders um: 17 Kantone und sechs Städte kennen Fachstellen für Gleichstellung.

Nicht der erste Reanimierungsversuch

Die jetzige Gründung des Vereins Gleichstellung Aargau ist nicht der erste Reanimierungsversuch. Bereits im November 2018 formierte sich eine überparteiliche Arbeitsgruppe, welche ein Kompetenzzentrum für Gleichstellung im Aargau aufbauen wollte.

Doch das Projekt kam ins Stocken. Mehrere Präsidiumswechsel, die Pandemie und unterschiedliche Auffassungen brachten das Vorhaben zum Stillstand. Eine politische breite Abstützung sei zwar zu begrüssen, doch dies führe auch zu Meinungsverschiedenheiten bezüglich Vorgehen und Stossrichtung, sagte Amanda Sager-Lenherr, Präsidentin von frauenaargau, im Sommer 2022. «Einen Konsens zu finden, braucht Zeit.» Nun nimmt das Projekt einen neuen Anlauf.

Die Vereinsgründung ist nicht die einzige Massnahme. Lautstark und violett wurde die Forderung bereits am 14. Juni am nationalen feministischen Streik auf die Aargauer Strassen getragen. Tags zuvor lancierte ArbeitAargau mit einer breiten Unterstützung von Frauenverbänden eine Initiative: Das nationale Gleichstellungsgesetz, welches Firmen zu geschlechterspezifischen Lohnanalysen verpflichtet, soll im Kanton Aargau so verschärft werden, dass mehr Firmen die Löhne analysieren müssen. Eine neu zu schaffende kantonale Fachstelle soll dies überprüfen.

Der Artikel von David Walgis

Bild: Severin Bigler

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