Soziale Eingebundenheit- Wege aus der Zoom-Black-Screen Krise

Monika

In rund einem Monat beginnt das dritte Corona-Semester. Mindestens für die ersten Wochen dürfte immer noch Online Unterricht angesagt sein. In den letzten Wochen hörte ich im Rahmen meiner Workshops von vielen Dozierenden, was sie diesbezüglich beschäftigt.

Vielfach kamen Fragen wie «Wie bringe ich meine Studierenden dazu, ihre Kameras einzuschalten?»

«Was mache ich, wenn auf meine Frage wieder nur Totenstille herrscht?»

«Wie stelle ich sicher, dass die Studierenden in den Gruppenräumen auch arbeiten und nicht nur quatschen?».

Diese Fragen sind Zeichen vom Gefühl fehlender Motivation bei den Studierenden, einem geringen Level von erhaltenem Feedback und einem daraus folgenden fehlenden Vertrauen in die Studierenden. Gleichzeitig tun sich die Studierenden- speziell diejenigen aus dem ersten Semester, welche nur das Online Studium kennen- schwer damit, einander kennenzulernen, sich gegenseitig im Studium zu unterstützen und gute (Gruppen)Arbeiten abzugeben.

Was allen fehlt, ist die soziale Verbundenheit. Während eines regulären Semesters ergeben sich nicht nur unter den Studierenden, sondern auch zwischen Studierenden und ihren Dozierenden zahlreiche Gelegenheiten, sich näher zu kommen, Vertrauen zueinander zu fassen und auf dieser Basis zusammenzuarbeiten.

Diese soziale Eingebundenheit ist ein wichtiger Faktor der Motivation von beiden- Studierenden und Dozierenden. Bei Studierenden kann deren Fehlen zu geringerer Leistung bis hin zum Studienabbruch führen, bei Dozierenden zu Frust, dass sich die Bemühungen zur Verbesserung ihres Online Unterrichtes nicht auszahlen.

Doch wie lässt sich soziale Eingebundenheit erzeugen, wenn weiterhin die Hochschulen geschlossen und alle alleine zuhause vor dem Computer sitzen? Wie können Dozierende den Raum schaffen, dass soziale Interaktionen trotzdem stattfinden können? Im Folgenden präsentiere ich ein paar Ideen, was jeder Dozierende, jede Dozierende für ihre Veranstaltung tun kann.

 

Auftaktveranstaltung:

Wie überall im Leben muss man sich zuerst einmal ein wenig kennenlernen. Dazu bietet sich der erste gemeinsame Termin an. Anstatt gleich mit Stoff zu beginnen, kann durch kleine Aktivitäten wie einfache Kennenlernspiele gleich zu Beginn eine gemeinsame Basis gelegt werden. Dabei ist der Dozierende genauso ein Teilnehmender wie die Studierenden. Sei es mit Post-Its und Fragen, einer Mad Tea Party oder in einer kleineren Gruppe mit dem Austausch eines positiven Erlebnisses der vergangenen Woche- das Finden erster Gemeinsamkeiten erhöht das Gemeinschaftsgefühl.

Die Auftaktveranstaltung kann weiter dazu genutzt werden, den Ablauf des Semesters zu erklären, eventuell neu genutzte Tools gemeinsam auszuprobieren und zu klären, wie man miteinander kommunizieren will. Dazu kann auch gehören, die Kamera-an-Diskussion zu führen. Am Schluss sollte ein Konsens darüber herrschen, wie Studierende und Dozierende im kommenden Semester gemeinsam arbeiten möchten. Den Abschluss macht dabei wieder eine soziale Aktivität oder ein Check-Out: Was brauche ich, damit ich in diesem Fach im kommenden Semester gut lernen kann? Was kann ich selbst dazu beitragen, dass alle gut lernen können?

 

Während den Veranstaltungen:

Wer nichts zu tun hat und primär dem Dozierenden zuhört, ist eher versucht, seine Kamera abzustellen. Um also ein lebendiges Lernsetting zu erzeugen, muss die Veranstaltung aktiv gestaltet und die Studierenden eingebunden werden. Wird gleich zu Beginn ein Check-In oder eine soziale Aktivität durchgeführt, werden alle Teilnehmenden abgeholt und fühlen sich wahrgenommen.

Kurze Aktivitäten in kleinen Gruppenräumen, die zu immer grösseren Gruppen zusammengeführt oder deren Ergebnisse in einem Kollaborationstool zusammengestellt werden, erhöhen nicht nur die soziale Eingebundenheit der Studierenden, sondern aktivieren auch jeden und jede. Werden dabei CATs, Classroom Assessement Techniques, eingesetzt, erhält der Dozierende gleichzeitig Feedback über den Lernstand seiner Studierenden und damit indirekt auch über die Qualität seines Unterrichtes.

Dazu können auch Tools wie Kahoot, Mentimeter oder SpeakUp verwendet werden, die dem Ganzen einen spielerischen Charakter verleihen. Die erhaltenen Rückmeldungen zeigen eventuelle Wissenslücken auf, die in der Veranstaltung mit gezielten Inputs des Dozierenden gefüllt werden können.

Über ein ganzes Semester können dabei auch Rituale geschaffen werden. Vielleicht wird immer vor der Pause die gleiche Aktivität gemacht. Oder der Dozierende sitzt vor einem Büchergestell, in dem vor jeder Veranstaltung etwas verändert wurde, und macht daraus ein Rätsel. Oder es wird mit auffälliger Kleidung oder virtuellen Hintergründen gearbeitet. Viele Beispiele dafür finden sich in der MOOC-Welt, die mit dem Thema soziale Eingebundenheit einige Erfahrungen gemacht hat.

 

Zwischen den Veranstaltungen: 

Die Frage, was zwischen den Veranstaltungen passieren soll, geht eigentlich nahtlos in den Punkt über, wie der gesamte Semesterverlauf geplant ist.

 

Über das ganze Semester:

Wer seinen Unterricht nicht mehr primär als Vorlesung, sondern als aktive Veranstaltung abhält, muss den Studierenden Zeit geben, sich auf diese vorzubereiten. Damit muss über den Verlauf des ganzen Semesters nachgedacht werden. Gerade bei grossen Klassen kann es sinnvoll sein, diese aufzuteilen und sich alternierend mit ihnen zu treffen. In den kleineren Gruppen kann eher Vertrautheit aufgebaut werden und der Dozierende kann besser auf die Studierenden eingehen. Aber auch bei kleineren Gruppen genügt es meist, die Studierenden nur in jeder zweiten Lektion zu sehen. Die Zeit dazwischen gehört den Studierenden zum Lesen, Lernen und Arbeiten.

Übungen ermöglichen die selbständige Lernkontrolle und damit das Stellen von gezielten Fragen während der synchronen Veranstaltung. Gruppenarbeiten oder Mini-Projekte können dafür sorgen, dass die Studierenden sich in Lerngruppen organisieren (müssen) und so Gemeinschaft erleben.

Haben die Studierenden etwas zu produzieren und demonstrieren- zum Beispiel ein Thema bearbeiten und präsentieren, oder ein Stück Code schreiben und diesen gegenseitig reviewen- wirken die gemeinsamen Veranstaltungen wie Meilensteine. Dies hilft nicht nur bei der Lernorganisation, die Studierenden sind in ihrem Lernen auch synchronisiert und fühlen sich eher miteinander verbunden.

 

Synchrone Unterstützung:

Auch zwischen den Veranstaltungen sollte der Dozierende für Fragen gut erreichbar sein und so zeigen, dass er für die Studierenden da ist. Im Idealfall wird dazu ein gemeinsames Tool genutzt- ein Chat oder ein Forum. Fragen, die per Email kommen, können mit Antwort zusätzlich in den Chat gestellt oder in der nächsten Stunde erwähnt werden. So wird den Studierenden bewusst, dass sie mit ihren Fragen nicht alleine sind.

Selten blüht ein Austausch-Tool aber von Anfang an auf. Während man in Präsenz zuerst den Banknachbarn fragen kann, verlangt die digitale Umgebung, sich zu exponieren. Liegt noch eine geringe soziale Vertrautheit vor, ist dies für viele Studierende herausfordernd. Andere sind es sich schlicht nicht gewohnt, dass sie von sich aus Unterstützung anfordern müssen und warten darauf, gefüttert zu werden. Aktive synchrone Veranstaltungen helfen dabei, diese Haltung nach und nach abzulegen.

 

Fazit: Guter Online-Unterricht sollte also immer das Ziel verfolgen, die soziale Eingebundenheit und damit die Motivation aller Beteiligter durch ein gutes Zusammenspiel von sozialen Aktivitäten, aktiven Präsenzphasen und sinnvollen Aufgaben und Unterstützung zwischen den Veranstaltungen zu steigern. Dies geschieht nicht ohne Zusatzaufwand und für Soziales geschaffener Zeit innerhalb des Unterrichtes. Dies zu investieren zahlt sich aber vielfach aus, wenn Studierende und Dozierende dafür wieder gemeinsam und aktiv Lehrveranstaltungen durchführen können.

Artikel – Monika Schlatter

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