Warum das Metaverse virtuellen Influencern zum Durchbruch verhelfen könnte
watson.ch – Nicole Krättli –
Wenn virtuelle Influencer immer realer und reale Influencer immer künstlicher werden – kommt es dann überhaupt noch drauf an, wer hinter einem Social-Media-Profil steckt?
Lil Miquela ist 19 Jahre alt, lebt in Los Angeles und teilt ihr Leben mit über drei Millionen Followern auf Instagram. Was sie besonders macht? Das Mädchen mit haselnussbraunen Augen und süssen Sommersprossen ist nicht echt. Der Roboter ist vor sechs Jahren in einem 3D-Programm entstanden und zählt zu den ersten, vor allem aber auch zu den erfolgreichsten virtuellen Influencerinnen auf Social Media.
Braucht jede Firma einen Roboter?
Während die Retorten-Markenbotschafter bislang eher eine innovative Nischenerscheinung waren, könnten sie dank Metaverse nun vor dem grossen Durchbruch stehen. «Ähnlich wie Unternehmen zwingend eine Webseite oder Social-Media-Präsenz benötigen, könnte es künftig ebenso entscheidend sein, im Metaverse einen virtuellen Repräsentanten zu haben», mutmasst Dominic Stöcklin, Studiengansgleiter für Social Media & Content Marketing an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich.
«Genau wie bei den Influencern aus Fleisch und Blut gibt es auch bei den Robotern Persönlichkeiten.»
Ein Roboter für alle Zwecke
Tatsächlich hat sich in der Welt der virtuellen Influencer in den letzten Jahren viel getan. Denn genau wie bei den Influencern aus Fleisch und Blut gibt es auch bei den Robotern Persönlichkeiten wie das Model Shudu oder die Musikerin Hatsune Miku und Social-Media-Stars wie Lil Miquela oder Knox Frost – einer der wenigen männlichen Bots. Gleichzeitig haben sich aber auch klassische Markenbotschafterinnen wie Barbie oder Corporate Virtual Influencer wie Guggimon einen Namen gemacht.
Kontrollierbar und skandalfrei – oder?
Egal, ob von einem Unternehmen direkt als Markenrepräsentantin ins Leben gerufen oder von einer Firma als unabhängiger Influencer – die Kunstfiguren lassen sich massiv besser kontrollieren als ihre menschlichen Mitbewerbenden. Keine Affären, keine fragwürdigen politischen Äusserungen, keine Drogenexzesse.
Skandalfrei sind allerdings auch die virtuellen Influencer nicht. So hat der Fotograf Cameron-James Wilson eine Kontroverse ausgelöst, weil er der Erschaffer des schwarzen Modells Shudu ist. Ein weisser Mann hat herausgefunden, wie er von einer schwarzen Frau profitieren kann, wütete eine Followerin und bezeichnete die Kreation als rassistisch und frauenfeindlich. «Natürlich kann man auch mit virtuellen Influencern ins Fettnäpfchen treten oder schlimmstenfalls einen Shitstorm auslösen. Es wird sich dabei einfach um andere Themen handeln als bei menschlichen Influencern», erklärt Social-Media-Experte Stöcklin.
Gen Z macht keinen Unterschied zwischen Bots und Menschen
Immer wieder wird Kritik an der fehlenden Authentizität dieser Fantasiegestalten laut. Denn ein Attribut realer Influencer ist – zumindest im Idealfall – ihre Authentizität und Nahbarkeit. Doch auch dieses Problem scheint sich immer stärker im Sand zu verlaufen.
Kommentare wie «Du bist die einzige Person, die ich kenne, die ein solches Outfit tragen kann» oder eine Userin, die sich wünscht, dass Roboter Lil Miquela mehr über ihre Spiritualität spricht, zeigen, dass die Grenzen zwischen realer und virtueller Welt zunehmend verschmelzen. «Ein Teil der Gen Z macht diese Unterscheidung bereits nicht mehr, für sie gibt es nur eine Welt und somit könnte aus Followersicht auch bald die Unterscheidung zwischen virtuellen und echten Influencern hinfällig werden», sagt der Marketingexperte Dominic Stöcklin.