Wie das Metaverse die Customer Experience beschleunigt

Digital

Magazin TWELEVE – Eva Lihotzky

Wie kann ich das Metaverse für meine Marke nutzen, wie wird dieses neue digitale Universum die Customer Experience verändern und wofür genau steht der Begriff „Metaverse“ überhaupt?

Strategieexpertin Eva Lihotzky verschafft einen Überblick und formuliert vier Handlungsempfehlungen für Brands.

Neal Stephenson hat in seinem Science-Fiction-Klassiker „Snow Crash“ bereits 1992 den Begriff „Metaverse“ geprägt. In dem visionären Roman geht es um einen Pizzaboten, der nachts als Hacker in einer immersiven, virtuellen Welt unterwegs ist. 30 Jahre später ist die Idee einer dreidimensionalen, immersiven Online-Umgebung, in der Menschen in Echtzeit miteinander interagieren und Dinge schaffen, kaufen und verkaufen können, nicht mehr nur Stoff für Sci-Fi-Bücher: Das Potenzial für soziale und kommerzielle Interaktionen in einer virtualisierten Umgebung ist enorm, und Investments in Technologien und neu entstehende virtuelle Räume haben über die letzten Jahre signifikant zugenommen. Denn schon heute gehen Technolog:innen, Unternehmen und Investor:innen davon aus, dass das Metaverse zu einem Schauplatz der Zukunft und damit zu einer grossen Umsatzquelle wird. Eine Studie des Finanzdienstleisters Citigroup bestätigt diese Einschätzung: Das mögliche Business-Potenzial durch virtuelle Welten wird darin auf bis zu 13 Billionen US-Dollar bis zum Jahr 2030 geschätzt.

Das Metaverse – mehr als nur ein singulärer Raum

Doch worum genau handelt es sich beim Metaverse? Eine erste Google-Recherche führt neben 173.000.000 Suchtreffern auch zu unterschiedlichen Definitionen. Die meisten davon haben jedoch eine Gemeinsamkeit: Sie verstehen unter der Bezeichnung „Metaverse“ mehr als nur eine einzelne Technologie oder einen Endzustand. Vielmehr berufen sie sich auf die Konvergenz mehrerer separater Technologien, die in den kommenden Jahren alle nach und nach Marktreife erreichen werden – und damit den Weg in die Web3-Ära ebnen. Neben dem fortschreitenden Einsatz der Blockchain und interaktiven Technologien, wie Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR) und Mixed Reality (MR), stehen Internet-of-Things(IoT)-Anwendungen (beispielsweise der Einsatz von Sensoren und Netzwerk-Kommunikationslösungen), Computing Technology (wie 5G- und 6G-Netzwerke) sowie Cloud Computing, Artificial Intelligence (AI) und Gaming-Technologien im Fokus.

Virtuelle Räume führen zu neuen Begegnungsmöglichkeiten

Das geschickte Zusammenspiel dieser Technologien kann das Erlebnis einer immersiven, dreidimensionalen Umgebung schaffen, in der Konsument:innen miteinander, mit dem jeweiligen Unternehmen und der jeweiligen Umgebung so interagieren, als befänden sie sich in einem gemeinsamen Raum. Dieser Raum kann zukünftig mehrere Eigenschaften aufweisen: Erstens ist davon auszugehen, dass dort sowohl die physische als auch die digital-virtuelle Welt in den Erfahrungsraum der Nutzer:innen einbezogen und ineinander übergehen wird. Zweitens werden dort Reaktionen und soziale Interaktionen ermöglicht, sodass ein kontinuierlicher Austausch zwischen den jeweiligen Konsument:innen, Unternehmen, Influencer:innen und deren Avataren stattfindet. Drittens werden darin Kreativität, Produktdefinition und -weiterentwicklung grenzenlos und im Idealzustand zwischen einzelnen Räumen interoperabel sein, sodass komplett neue Begegnungsmöglichkeiten, Kommunikationswege und Business-Modelle entstehen. Viertens werden virtuelle Räume zu jeder Zeit verfügbar und von Nutzer:innen definiert sowie gestaltbar sein.

Das nächste Level der Customer Experience

Dadurch wird Echtzeitkommunikation und Personalisierung zu einem noch wichtigeren Differenzierungsmerkmal für Unternehmen, die mit ihren Konsument:innen im Metaverse in den Austausch treten. Deshalb muss das Konzept der Customer Experience neu gedacht, erweitert und die Kommunikations- und Interaktionsgeschwindigkeit von Brands auf das nächste Level gehoben werden. Denn neben bestehenden Touch Points, die Unternehmen weiterhin zur Begegnung mit ihren Konsument:innen dienen, kommen nun diejenigen im Metaverse bzw. in virtuellen Räumen hinzu. So werden eine Vielzahl neuer Interaktionspunkte entstehen, die Unternehmen in ihre Marken- und Kommunikationsstrategie einbetten sollten.

The Hitchhiker’s Guide to Metaverse Experiences

Für Brands empfiehlt es sich daher, unter anderem folgende vier Handlungsempfehlungen umzusetzen:

  1. Metaverse-Potenziale identifizieren und eine langfristige Strategie implementieren
    Unternehmen sollten die für sie Business-relevanten Metaverse-Potenziale ableiten und eine Metaverse-Strategie in bestehende Kommunikations- und Marketingstrategien einbinden. Diese sollten flexibel genug sein, um schnell auf den anhaltenden technologischen Fortschritt und damit sich verändernde Kundenanforderungen und -verhaltensweisen reagieren zu können.
  2. Relevante Technologien flexibel und sukzessive einbinden
    Virtuelle Räume werden durch die bereits genannten Technologien ermöglicht. Allerdings braucht es nicht alle Technologien für jeden Anwendungsfall gleichzeitig. Vielmehr werden Unternehmen unterschiedliche Technologie-Kombinationen an unterschiedlichen Touch Points anwenden. Umso wichtiger wird es also, die jeweils relevanten Technologien schnell einsatzfähig bereitzuhalten und entlang der Customer Journey an das Kundenverhalten anpassen zu können. Eine diversifizierte und flexibel auf die jeweilige Anforderung anwendbare Technologiearchitektur wird damit in Zukunft für den Unternehmenserfolg im Metaverse entscheidend sein.
  3. Konsumentenverhalten und -emotionen in virtuellen Räumen intensivieren
    Auch im Metaverse wird eine überzeugende Customer Experience ein Unterscheidungsmerkmal bleiben. Deshalb sollten Unternehmen sich darauf konzentrieren, auch in virtuellen Räumen konsistente und fesselnde Erlebnisse zu schaffen, die die Vorteile der Immersivität und Interaktivität einzusetzen wissen. Durch geschickte Kombination der relevanten Technologien, wie beispielsweise AR, Sensoren sowie On- und Offlinekombinationen, können Brands ihren Konsument:innen durch neue Blickwinkel gegenübertreten, eine stärkere Identifikation mit Produkten durch sprichwörtlich anfassbares Storytelling ermöglichen und so das Kaufverhalten und die Kundenloyalität positiv beeinflussen.
  4. Vertrauen, Authentizität und Verantwortung in den Vordergrund stellen
    Vertrauen und Sicherheit werden noch mehr in den Vordergrund rücken, wenn es darum geht, die Customer Experience in diesen neuen virtuellen Räumen zu definieren. Denn nur so kann Akzeptanz für die neu entstehenden Erfahrungen geschaffen werden, die Konsument:innen mit Unternehmen in den jeweiligen immersiven Interaktionen machen werden. Die bereits bestehenden Überlegungen – und Bedenken – in Bezug auf Datenschutz, Sicherheit, IP-Schutz oder Accessibility werden umso mehr an Bedeutung gewinnen, je mehr die Grenze zwischen physischen und virtuellen Welten der Konsument:innen verschwimmt. Unternehmen stehen demzufolge in der Verantwortung, damit verantwortungsbewusst umzugehen und diese inklusiv zu gestalten.

Schöne neue Welten

Der technologische Fortschritt und die daraus entstehenden immersiven Räume verändern die Basis und Funktionsweise physischer und virtueller Interaktionen. Allerdings ist noch lange nicht final definiert, wie sich das Metaverse weiterentwickeln und mit welchen schrittweisen Entwicklungen und Funktionalitäten zu rechnen sein wird. Zwar sind einige Technologien und Bausteine bereits vorhanden, jedoch wird die vollständige Realisierung von immersiven, reaktiven und kontinuierlich expansiven virtuellen Welten noch einige Jahre dauern. Denn viele der erforderlichen Technologien werden noch Zeit benötigen und vom Fortschritt anderer Technologien abhängig bleiben, bevor ihre Fähigkeiten und Potenziale in der Breite eingesetzt werden können. Und selbst dann werden sie sich nach und nach noch weiterentwickeln und neue Massstäbe setzen.

Jetzt zu beschreiben, wie ein Leben im Metaverse zukünftig aussehen und welche Auswirkungen das auf Unternehmen haben wird, ist deshalb in etwa so, als hätte man im Jahr 1990 versucht zu beschreiben, was einmal aus dem Internet werden wird. Aber vielleicht sollte man dazu einfach Neal Stephenson befragen – er hatte ja bereits vor 30 Jahren eine Vorahnung, in welche Richtung es gehen könnte.


Dieser Artikel erschien zuerst im TWELVE, dem Magazin der Serviceplan Group für Marken, Medien und Kommunikation.

Weitere spannende Artikel, Essays und Interviews von und mit prominenten Gastautor:innen und renommierten Expert:innen lesen Sie in der neunten Ausgabe unter dem Leitthema „Speed! The Winning Factor in the Digital Age“:

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