Wie Massenmedien Cyberkriminelle stereotypisieren

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INSIDE IT – Nadja Baumgartner

Männlich, maskiert und gefährlich: eine Bachelorarbeit der ZHAW wirft ein Blick hinter die medialen Stereotype von Cyberkriminellen. Die Autorin Nadja Baumgartner ist ab dem 1. September die neue Junior Editorin von Inside IT.

Männer in Kapuzenpullovern, die in einem dunklen Raum am Computer sitzen und Daten von KMU verschlüsseln: So stellen sich viele die anonymen Cyberkriminellen und «Hacker» vor. Schuld an diesen Stereotypen sind nicht nur Filme oder Videospiele. Auch Medien greifen in ihrer Berichterstattung vermehrt – bewusst oder unbewusst – solche stereotypischen Darstellungsweisen auf.

Studienabgängerin Nadja Baumgartner hat sich in ihrer Bachelorarbeit für das Institut für Angewandte Medienwissenschaften (ZHAW) mit diesem Thema ausführlich befasst. In der Arbeit hat sie verschiedene Medienartikel untersucht und analysiert, wie diese in ihrer Berichterstattung über Cyberkriminellen berichten und sie darstellen.

Fern von der Realität
Fokus der Untersuchung war insbesondere die Darstellung in Symbolbildern, aber auch die Texte wurden auf stereotype Wörter und Satzstrukturen untersucht. Die Ergebnisse waren eindeutig: Die Artikel stellen die Cyberkriminellen in Bild und Text als «fremde, unbekannte und gefährliche» Täter und Diebe dar, die im Dunkeln vor dem Bildschirm sitzen, Daten stehlen und verschlüsseln. Hier ist ein klarer Stereotyp erkennbar. In allen Bildern ist das Gesicht des Kriminellen unerkennbar – es ist entweder mit einem Hoodie bedeckt, verschwindet im dunklen Licht oder fehlt gänzlich. Sie sind in den Bildern nur allein zu sehen, obwohl in den Texten meist von einem Kollektiv die Rede ist. Dies widerspiegelt die stereotypischen Darstellungsweisen in Filmen, Videospielen und in der Popkultur allgemein. Ausserdem benutzen die Medien den Begriff «Hacker» vermehrt unreflektiert. Obwohl der Begriff mehrdeutig ist und eine differenzierte Hintergrundgeschichte mit sich bringt, nutzen ihn Journalistinnen und Journalisten ausschliesslich in einem negativen Kontext. In den 1950er- bis 1980er-Jahren war der Begriff jedoch weitgehend positiv besetzt. Viele vergessen schliesslich, dass es auch «gute» oder «ethische» Hacker gibt.
Die Analyse ergibt also verschiedene Stereotype und Darstellungsweisen: die raffinierten, aber unbekannten Cyberkriminellen, die bildlich meist allein arbeiten, textlich aber gemeinsam in einem Kollektiv tätig sind. Die Massenmedien gestalten durch ihre Wort- und Bilderwahl demnach ein Bild der Gesellschaft beziehungsweise der Cyberkriminellen und beeinflussen so die Wahrnehmung dieser Personen. Insbesondere die Wahrnehmung des Begriffs «Hacker» wird beeinflusst und in eine Richtung gesteuert. Diese Darstellung ist aber fern von der Realität: Nicht nur ist der Stereotyp des einsamen Hackers in einem dunklen Raum absurd, es verharmlost die Kriminellen auch in gewisser Weise. Zwar sehen sie in den Bildern bedrohlich aus, sie stellen sie jedoch auch als isolierten und einzelnen «Gegner» dar, als dysfunktional und ohne jegliche Ausbildung.
Einfallstor «Mensch»
In der Berichterstattung um die Thematik der Cyberkriminalität sind aber auch noch andere, schädliche Strukturen und Muster zu erkennen. Zwar werden häufig Cyberkriminelle als «die Bösen» dargestellt, doch viele Texte stellen auch Mitarbeitende als Bedrohung für Firmen und KMU dar – meist fast noch mehr als die Cyberkriminellen selbst. Der Mensch, das Individuum oder die Mitarbeitenden sind das «Einfallstor», da sie «ungeschützt» oder «unvorsichtig» sind; sie sind «nachlässig, angreifbar, blauäugig, das schwächste Glied in der Kette». Des Öfteren erwähnen die Artikel, dass man die Mitarbeitenden «sensibilisieren» oder «schulen» beziehungsweise «informieren» müsse. Die Probleme sind gemäss den Medien also mehrheitlich die Mitarbeitenden selbst und nicht die Schwachstelle oder die Lücke im System beziehungsweise die Kriminellen. Dies ist ebenso ein schädlicher Stereotyp, der von Firmen übernommen wird. Es ist einfacher, das Problem in den eigenen Reihen zu suchen, als es an der Wurzel zu packen.
Wohingegen Cybersecurity-Expertinnen und -Experten häufig die Position der «Heldinnen und Helden» einnehmen, die die Lösung für Datensicherheit besitzen. Die Artikel ziehen sie als Meinungsträgerinnen und -träger hinzu, die Empfehlungen und Hinweise abgeben. Sie sind «besorgt», «aktiv» und «proaktiv», «aufmerksam» und sie «zerbrechen sich die Köpfe über Hacker-Angriffe».
Im Zuge dieser Thematik instrumentalisieren die Medien also nicht nur Cyberkriminelle, sondern auch Mitarbeitende sowie Expertinnen und Experten. Die Arbeit wollte somit aufzeigen, wie Medienschaffende ein Augenmerk auf allfällige, unterbewusste Darstellungsweisen und (schädliche) Stereotype legen können, um diese zukünftig zu vermeiden.
Bild: Pixabay
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