fokus.swiss – Was ist eine moderne Frau? – Von Prof. Dr. Gudrun Sander

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Ich kann es Ihnen nicht sagen. Es gibt so viele verschiedene Varianten.

Und was uns heute als modern erscheint, mag in 50 Jahren völlig altmodisch wirken oder in anderen Kulturen schon längstens gelebte Realität sein.

Mein persönliches Bild der «modernen Frau» ist sicher eng verknüpft mit einer starken beruflichen Identität.

Meine «moderne» Frau sieht sich nicht nur als zukünftige Mutter (und allenfalls Ehefrau). Vielmehr überlegt sie sich, wo ihre Stärken liegen und welches Berufsfeld ihr Spass machen könnte. Sie überlegt sich auch, welche Jobs in Zukunft wichtig sein werden. Entscheidet sich bewusst für oder gegen Kinder.

Sie begegnet ihrem Partner oder ihrer Partnerin auf Augenhöhe, macht sich nicht unnötig klein. Sie ist neugierig, hört gut zu, kann alte Vorstellungen auch mal loslassen und ist vielleicht mit Leidenschaft eine wunderbare Chefin.

Vielleicht wird sie irgendwann Mutter, vielleicht auch nicht. Das spielt keine Rolle. Falls ja, teilen sich beide den (in der Schweiz noch nicht vorhandenen) Elternurlaub und arbeiten danach beide Vollzeit oder in Teilzeitpensen mit mindestens 60 Prozent – denn nur ab diesem Pensum kann sie (und er) die Altersvorsorge ausreichend sichern und im Arbeitsmarkt sichtbar bleiben. Wenn sich das in unserer Gesellschaft durchsetzen würde, also eine gerechte Aufteilung von Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung, wäre es für Arbeitgeber auch nicht relevant, ob sie einen Mann oder eine Frau einstellen. Und dies würde sich dann irgendwann in unseren Resultaten im Advance & HSG Gender Intelligence Report widerspiegeln. Frauen in Führungspositionen wären keine Minderheit mehr, sondern einfach normal.

Wunschbild und Realität

Mein aktuelles Wunschbild und die Realität klaffen leider weit auseinander. Die Realität in der Schweiz sieht in vielen Fällen anders aus. «Kann ich mit dieser Ausbildung Beruf und Familie vereinbaren?» Viele junge Frauen machen sich bereits bei der Berufswahl darüber Gedanken, dass sie Kinder haben werden und wie sie dann die Kinderbetreuung organisieren sollen.

Der junge Mann hingegen macht sich meistens Gedanken darüber, ob er mit seinem Job eine Familie ernähren kann. Und diese Überlegungen beeinflussen die Berufswahl, die immer noch sehr geschlechterspezifisch erfolgt.

Gemäss einer Studie des Eidg. Instituts für Berufsbildung ist bei Frauen mit 21 Jahren Primarlehrerin als Berufswunsch an erster Stelle. Bei Männern gleichen Alters rangiert Pilot ganz oben. Letzteres wird sich in der Pandemie wohl leicht verändert haben.

Meine moderne Frau braucht ein gesellschaftlich offenes Umfeld, das ihr das Gleiche zutraut wie einem Mann. Sie braucht Unterstützung und Offenheit, wenn sie einen «anderen» als den üblichen Weg gehen will. Sie braucht ein politisches Umfeld, das ihr ein gleichberechtigtes und partnerschaftliches Leben leicht macht. Konkret heisst das Lohngleichheit, Individualbesteuerung und gute, bezahlbare Kinderbetreuungsangebote. Sie braucht Menschen um sich, die ihre Stärken und Ambitionen unterstützen. Sie braucht echte Chancengleichheit.

Wir alle können dazu einen Betrag leisten!

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